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Samstag, 24. Dezember 2016

Vrindavan

Auf geht es mit dem Zug nach Vrindavan, die heiligste Stadt Indiens. Die Züge haben mit unserem Standard relativ wenig gemein, aber sie bringen einen ziemlich zügig an den Bestimmungsort.

Wir waren froh, dass wir überhaupt noch ein Platz ergattern konnten und mussten mit der zweiten Klasse (ohne Klima) Platz nehmen, Frühstück war inklusive, da der Zug sehr zeitig ging. Wir saßen in Dreierreihen und sobald der Vordermann sich bewegte schepperte es und unser Tischchen knallte herunter. Irgendwann (nach dem 11. mal hochklappen) gibt man auf und lässt ihn unten, Frühstück gibts ja auch noch :)

Der Maharganj Express beschleunigt auf sagenhafte 151 km/h! Wow! Und das bei offenen Türen....das Frühstück stellt sich übrigens als Oreo-Mini-Keksrolle heraus :)

Nach anderthalb Stunde erreichen wir Mathura wo sich sofort nach dem Aussteigen eine Schar TukTuk-Fahrer auf einen stürzt. WTF. Da wir eh ein Gefährt brauchten und sich die Fahrer immer weiter gegenseitig im Preis unterboten (das ist der positive Nebeneffekt!) hatten wir bald unser TukTuk gefunden und schon tuckerten wir durch den üblen Verkehr von Mathura (zu dem Zeitpunkt wussten wir noch nichts von Agra) Richtung Vrindavan.

Dort angekommen machte Claudia gleich die erste Bekanntschaft mit den Affen. Die orange in Ihrer Hand war zu interessant, so dass von einem kräftigen Makaken-Boy angefallen wurde. Der Inder neben Ihr half mit einem Ziegelstein aus...

Vrindavan ist eine indische Kleinstadt, man hat relativ wenig große Straßen, alles ist durch kleines Sträßchen oder Gassen verbunden. Neben Menschen tummeln sich noch eine Vielzahl an Schweinen, Hunden, Streifenhörnchen, Kühe (die meistens pathetisch dahin trotten oder an den unmöglichsten Stellen liegen), Trampeltiere und Affen. Primaten an jeder Ecke und auf jedem Dach. Teilweise sind sie so agro und fallen Leute an um ihnen Essen zu klauen. Oft kann man beobachten wie sie oben auf dem Dach sitzen und das Straßengeschehen beobachten, sobald etwas herunterfällt oder sich die Chance bieten einen Straßenhändler zu beklauen - weil dieser gerade Kundschaft bedient - sind sie schwups unten krallen sich ihr "Opfer" und verschwinden schleunigst wieder bevor sie eine mit der Steinschleuder bekommen. Auf jedenfall entwickelt man einen gewissen Respekt vor Ihnen.





Wir fühlen uns wie in 1001 Nacht - wo man hinsieht Tempelbauten in den allerschönsten Formen. Man kann sie besuchen, vorher aber immer die Schuhe ausziehen. Innen drinnen bietet sich dann ein interessantes Bild: tausend Farben und geschichtenerzählende Wandmalereien der Gottheiten. Da Mathura als Geburtsort Krishnas (der obersten Gottheit) und Vrindavan als der Ort seiner Kindheit gilt, gibt es hauptsächlich Motive von Ihm.

Nennenswert ist der Iskcon-Tempel, jeder Tuktuk-Fahrer möchte einen dahin bringen. Iskcon ist eine in der Welt verbreitete Organisation welche das Krshna-Bewusstsein verbreiten möchte (bekannt auch in unseren Breiten in als Mönche in Fussgängerzonen die Bücher verschenken´/ verkaufen bzw. musizieren). 
Sobald man vor Ort ist muss man durch einen Hochsicherheitstrakt, mit Scan der Rucksäcke und Abtasten. Danach erwartet einen Bauten in Marmor, wunderbar gearbeitet und richtig prunkvoll. Vor dem Tempel schlafen die Kastenlosen unter Zeitungen, drinnen herrscht Reichtum wohin das Auge reicht. Sagenhaft! Im Tempel sitzen die Devotees (Unterwürfige/ Gottesanbeter) musizieren auf Trommeln und Schellen und singen wiederholt das heilige Mantra: Hare Krshna, Hare Krshna, Krshna Krshna, Hare hare, Hare Rama, Hare Rame, Rama Rama, Hare Hare. Sie singen sich in Trance und die Gläubigen in der Halle verfallen ihnen.
Der Tempel hat drei Altäre, in jedem sind Abbilder der Gottheit zu sehen, fein geschmückt mit Blumen und schimmernden Umhängen. Tempelhelfer stehen in jedem Tor und fächern den Figuren Luft zu. Warum weiß ich nicht, vielleicht um sie von Fliegen freizuhalten. Punkt 12.30 Uhr werden die Vorhänge verschlossen und die Gesänge verstummen, nun ist es auch Zeit für den Besucher zu gehen.

Iskcon-Tempel

Den Nachmittag kann man mit einem Spaziergang an der Yamuna verbringen. Der Fluss gilt als heilig und reinigt von Sünden. Alte Tempel säumen den Uferrand. Sie sind längst nicht mehr unter religiöser Nutzung, sondern werden von Obdachlosen und Affen bewohnt. Einige Ecken nehmen einem die Luft, sie werden als Urinal genutzt und jeder versteht das auch so.

Am Ufer der Yamuna.

Ein schönes Plätzchen zum studieren.

Alte Tempelbauten am Fluss.

Während des Spaziergangs trifft man auch immer wieder auf die Sadhus, heilige Männer. Meistens orange gekleidet, sehr hager und mit langen Bärten haben Sie sich für ein Leben in Askese entschieden. Mit den geringsten Mitteln, und auch den damit verbunden Entsagungen wollen Sie eine Stufe höher im Bewusstsein steigen und damit die Erlösung von allem Irdischen erreichen. Sehr oft betteln sie um eine kleine Spende, denn das ist ihre Lebensgrundlage.



Im folgenden Video sieht man einen jungen Mann auf seiner persönlichen Pilgerfahrt. Er legt sich auf dem Boden, legt ein Holzstab vor seinen Kopf steht auf und geht bis zum Holz bevor sich die Prozedur wiederholt: Hier klicken!

Am Tempel Sri Radha Damodir Mandir bietet sich uns ein älterer Herr als Führer an. Auch wenn Warnschilder stehen, dass keine Führer vom Tempel geschickt werden gehen wir auf das Angebot des Herren ein. Eine gute Entscheidung, er erklärt uns einiges was das Tempelleben angeht und auch die Geschichten die die Bilder auf den Säulen rundherum erzählen. Zum Beispiel wird in einem eigenen Tempelgarten Kräuter angebaut die dann nur für die Zeromonien genutzt bzw. verbrannt werden. Wisst ihr warum Kühe heilig sindˋ? Sie gelten als die "Mother of the universe", deshalb sind sie auch immer im Umfeld Krshnas zu finden.
Aber auch das Leben von Rajesch ist interessant: bis zu seiner Rente im Alter von 57 arbeitete er als Elektriker bei einer staatlichen Anstalt. Mittlerweile ist er 85 Jahre und muss sich ein Zubrot verdienen (Führungen durch den Tempel), da zwei seiner 4 Kinder bei einem Unfall ums Leben gekommen sind.

Rajesch im Tempel

Am Abend geht es dann zum Prem Mandir (Tempel der göttlichen Liebe), alle sagen, dass man diesen Tempel bei Dunkelheit besuchen muss. Recht haben sie! Als wir vor dem Komplex stehen bleibt uns der Mund offen stehen und wir denken, dass wir im Disneyland der Tempel gelandet sind. Tausende andere denken genauso, wieder Menschen über Menschen.
Geradezu steht der Tempel in bombastischen Licht gehüllt. Der Balkonbereich ist unterschiedlich zum Rest des Gebäudes angestrahlt und bei beiden wechselt die Beleuchtung 10-sekündlich. Links vom Tempel steht eine riesige Ansammlung von Göttern. Krshna tanzt auf den Köpfen einer Hydra (siebenköpfige Schlange mit nur einem Körper). Rechts vom Tempel eine übergroße Schaukel im Wald. Darin sitzen Krshna und seine Frau Radha, angetrieben von einem elektrischen Motor schaukeln sie vor und zurück.
Die ganze Anlage ist top in Schuss und auf Schildern sieht man überall, dass die Licht- und Wassershow um 19 Uhr anfängt.
Ich setze mich auf die Mauer während Claudia das WC sucht. Wie so oft kommen ein paar Jungs und Fragen ob man gemeinsam ein Foto mit mir machen kann. Logisch, kein Problem. Damit trete ich eine Lawine los, also die drei nämlich fertig sind steht schon die nächste 5er Gruppe da. Foto? Okay, kein Problem. Beim vorletztem Jungen sehe ich schon im Augenwinkel wie sich die nächste Gruppe bereits. Foto? Na gut, wenns sein muss. Als wir durch sind kommt das Väterchen mit seinem Sohn. Foto? Okay, passt schon. Mittlerweile trifft Claudia wieder ein - welche eine Einladung, denn jetzt müssen nochmal neue Fotos gemacht werden....irgendwann können wir uns "befreien".
Während der Fotos hören wir schon jemand die ganze Zeit überlaut Hindi sprechen. Als wir um die Ecke gehen sehen wir auch wer das ist. Der Guru Shri Kripalu Maharaj ist riesig auf einem Bildschirm abgebildet, sitzt in einem gemütlichen Stuhl und erzählt. Er macht einen ganz zufriedenen Eindruck bei seinen Erzählungen.
Jetzt aber rein in den Tempel! Der Besucherstrom wird wie in einem Viehgatter geleitet. Als wir eintreten strahlt und glitzert es. Riesige Kronleuchter verteilen das Licht in jeden Winkel. 30.000 Tonnen italienischer Marmor. Wow!
Natürlich erwarten wir Krshna & Co. im Tempel zu sehen. Aber weit gefehlt, überall das Antlitz des Gurus. Des Gurus??? Ja wirklich, der Guru hat sich selbst ein Denkmal gesetzt! Man wird vom ersten in den zweiten Stock geleitet, die Krönung der Selbstbeweihräucherung ist eine vergoldetee lebensgroße im Schneidersitz dasitzende Figur.
Nun freuen wir uns aber auf die Licht und Wassershow die im abgesperrten Bereich hinter dem Tempel stattfindet. Während wir an der Tempelummauerung warten kommt ein geschmücktes und mit Räucherstäbchen versehenes Wägelchen vorbei. Geschoben von Devotees. Umtanzt von den Gläubigen. In der Mitte sitzt, na wer wohl, der Guru als lebensgroßes Pappfoto. Mittlerweile wurden die Leute in den Springbrunnenbereich eingelassen und nun beginnt die Show. Wasserfontainen tanzen auf und ab, schießen in die Luft und verpuffen in der Luft. Dann wird mit dem Licht ein Fächer erzeugt und ein Video in die Fontaine reinprojiziert. Zur Abwechslung sehen wir mal den Guru. Sprechend, tanzend, lächelnd.
Nach diesem berauschendem Personenkult zieht es uns ins nächste Straßenrestaurant. Gesättigt beschließen wir den Abend. Morgen geht es weiter nach Agra.

Krshna der die Welt mit einem Finger hält
Krshna mit seinem Herzblatt
Prem Mandir bei Nacht
Prem Mandir bei Tag

Weitere Impressionen aus Vrindavan:

Das ist noch echte Handarbeit!

Kurz nach Entstehung des Bildes hat der Bulle den einzigen Hinweis auf einen fehlenden Gulli-Deckel platt gemacht. 

Trampeltiere werden in Vrindavan gern eingesetzt.



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