Heute werden wir die Grenze zu Litauen ueberqueren! Vorher gibt es aber noch einiges in Lettland zu sehen, so geht es von Riga ueber kleine und kleinste Strassen nach
Kuldiga.
Dieses verschlafene Staedtchen kann sich mit einer Superlative ruehmen - Ventas rumba! Die Venta faellt bei Europas breiteste Stromschnelle grandiose 1,80 Meter tief! Okay der Fall ist nicht was zaehlt sondern die Breite von 249 m! Das ist so beeindruckend, dass man denkt "was es nicht doch alles fuer Rekorde gibt", wann verwendet man den schon mal Stromschnelle in der Einzahl.... Schoen anzuschauen ist es allemal, auch die Backsteinbruecke, welche im Nachgang ueber die Venta errichtet wurde.
Kuldiga an sich hat wunderbare kleine Gassen mit alten, aber gepflegten, Holzhaeusern bzw. Hoefen. Ein Ort um die Seele baumeln zu lassen.
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Kuldiga: Backsteinbruecke uber die Venta |
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Ventas rumba - Europas breiteste Stromschnelle |
Bevor ich auf die Weiterfahrt eingehe, moechte ich auf ein paar baltikumspezifische Auffaelligkeite eingehen:
- Aufgrund der doch deutlich oestlicheren Lage der 3 Staaten sind wir hier um eine Stunde frueher dran als in Deutschland. Dazu kommt auch noch die Lage im Norden, welche unsere Tage richtig lang werden lassen. Hier bereits merkt man die laengeren Tage, bekannt durch die Mitternachtssonne in Skandinavien. Um zehn Uhr abends ist es hier noch richtig hell, der Fakt, dass die Supermaerkte in der Regel bis 22:00 Uhr geoeffnet sind laesst unser Zeitgefuehl durcheinander kommen. Regelmaessig erwischen wir uns wie wir erst gegen 9 Uhr Abends essen...
- Richtig cool sind die leeren Strassen, wenn wir unterwegs sind - und mal abgesehen von den groesseren Staedten - haben wir nur leere Wege. Manchmal gibt es uns das Gefuehl als ob keiner auf dem Lande lebt (was natuerlich nicht stimmt). Weshalb der Verkehr so gering ist haben wir bis jetzt noch nicht klaeren koennen, es ist auf jedenfall sehr angenehm zu fahren und man kommt neben recht schnell voran.
- Beeindruckt hat uns die Sauberkeit der drei Staaten. In den Staedten gibt es an jeder Ecke Muelleimer und auch so sieht man keinen Muell an den Strassenraender, Ecken usw. Wahrscheinlich ruehrt dies auch von einer gewissen Naturverbundenheit her - am Wochenende oder am Abend sehen wir viele Menschen die sich zum Spazieren oder Angeln zusammenfinden, einfach ein Barbeque am Fluss veranstalten bzw. mit ihren Familien im Gras zum Picknicken sitzen.
Der naechste Halt ist Liepaja - auch hier gibt es wieder einen Rekord: in der Dreifaltigkeitskirche steht die groesste mechanische Orgel der Welt: 131 Register, 4 Manuale und ueber 7.000 Pfeifen!
Die von aussen ziemlich trostlos wirkende Kirche (Spenden fuer die Renovierung werden gesammelt) wirkt nicht als ob sie beeindrucken koennte. Doch wie so oft kommt es auf die inneren Werte an :) Abgesehen von zwei aelteren Damen die zum Kircheninventar gehoeren sind wir die einzigen Personen. Die Kirche an sich ist auch von Innen vergleichsweise recht einfach gehalten, sobald man sich aber umdreht "erschlaegt" einen die Orgel. Mit einer Breite ueber die ganze Kirchenbreite breitet sie ihre spektakulaere Erscheinung aus. Leider koennen wir sie nicht hoeren, aber als wir zum Ausgang schlendern fragen die Damen ob wir nicht auf den Turm klettern wollen.
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Dreifaltigkeitskirche von Aussen |
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Blick vom Kirchturm |
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Weltgroesste mechanische Orgel |
Von jetzt sind es noch gut 1,5h Fahrt, eine Faehruebersetzung und wir sind auf Neringa - der kurischen Nehrung. Eingeschlossen zwischen kurischem Haff und der Ostsee. Ein Haelfte gehoert Litauen und die Andere Russland mit Kaliningrad. Unser Ziel ist Nida (dt. Nidden) welches am suedlichen Ende bzw. an der Grenze zu Russland liegt.
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An der litauisch-lettischen Grenze |
Da wir erst spaet ankommen entscheiden wir einen Tag zu verlaengern. Das Wetter ist bombastisch und so koennen wir unsere Hintern mal einen mopedfreien Tag goennen.
Nidden ist sehr verbunden mit Thomas Mann. Der Dichter und Schriftsteller hat einen Beitrag ueber die Landschaft Neringas verfasst und den kann ich so nur befuerworten. Da Mann das besser in Worte fasste als ich es je koennte gibt es hier einen Auszug:
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Lesen und wirken lassen... |
Wir machen einen grossen Spaziergang (12km) um die Schoenheiten dieses Landstreifens zu erfahren:
Midden in Nidden befindet sich das nur zwei Sommer lang genutzte Ferienhaeuschen der Familie Mann. Sicherlich waere sie noch oefter da hingekommen waere durch Deutschlands menschenverachtende Politik seinerzeit eine Flucht in die vereinigten Staaten nicht notwendig gewesen. Das Haus und die Lage ist definitiv chic. Im Haus gibt es eine Dauerausstellung die ueber das Leben Thomas Manns als auch dessen Familie berichtet.
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Thomas Mann's Sommerhaus |
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Blick aus dem Mann'schen Arbeitszimmer |
Vom Haus aus sind wir stundenlang ueber Stock und Stein, Sand und Fels auf den hoechsten Berg Neringas gestiegen. Nach stolzen 58 Hoehenmeter wurde der schweisstreibende Aufstiegt mit einer wunderbaren Aussicht auf Baeume belohnt :)
Schnell ging es wieder herab und wir erblickten die Ostsee. Um diese Jahreszeit ist das Meer noch richtig kalt - und richtig klar. Im Sommer ist hier bestimmt die Hoelle los - heute sind wir so gut wie alleine unterwegs. Baazingaa!
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Ostseeblick |
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Eisiges Ostseewasser |
Kurz vor der russischen Grenze gehen wir wieder vom Strand weg und der Grenze entlang und erreichen eine der riesigen Wanderduenen: Parnides. Die Duene ist gewaltig, hat aber auch stark mit der Erosion durch Menschen zu tun. Jaehrlich wird die Duene kleiner und kleiner, da von Menschen abgetretener Sand nicht wieder nach oben kommt, in den letzten 30 Jahren hat sich die Hoehe um 10 Meter verringert. So sind bereits grosse Teile zum Schutz abgesperrt und ein befestigter Weg fuehrt entlang der Duene. Von oben sieht sie aus wie ein riesiger Sandkasten, richtig bedrohend wirkt sie erst wenn man am Fusse davor steht: wie eine riesige sandgewordene Welle steht sie auf einmal da und scheint alles ueberrollen zu wollen. Seht selbst!
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Russland ganz nah |
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Blick ueber die Parnides-Duene |
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Blick von unten auf die Duene |
Uns hat Nidden sehr gefallen und wir wuerden bidden, dass mehr unsere Mitmenschen dieses Kleinod in Litauen entdecken wuerden. Wir koennten hier noch viel mehr Zeit verbringen. Fuer den Elchwald und Europas groesste Reiherkolonie blieb leider keine Zeit.
PS: mit der Faehre von Deutschland nach Klaipeda (Memel) und dann nur noch eine halbe Stunde fahrt und man ist da!
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Nidden Idylle |
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Nidden Idylle mit Mosi |
Persoenlich hat mir noch die Anekdote der "Kraehenbeisser" gefallen. In der Tat sind uns die unzaehligen Kraehen auf Neringa aufgefallen, bereits am Morgen gab es Riesengezeter als sie Fische am Uferrand des Haffs verzehrten und natuerlich jede Kraehe das beste Stueck haben wollte.
Jedenfalls muss es im 16. Jahrhundert eine regelrechte Kraehenplage gegeben haben, so dass sich der Beruf des Kraehenbeissers etablieren konnte: Groesse Koerbe wurden am Sandstrand in der Luft aufgehaengt und sobald sich eine Kraehe niederliess wurde der Korb inklusive Kraehe heruntergerissen. Der Jaeger musste dann fix sein und sich die verdutzte Kraehe schnell schnappen. Damit der Vogel nicht noch weiteren Schaden anrichten konnte musste eine schnelle Beseitigungsmethode her: ein gezielter Biss in den Nacken der Kraehe losch ihr unverzueglich das Licht aus. Na dann, guten Appetit.
Track: Riga - Kuldiga - Liepaja - Memel - Nidden
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